„Die zwei Päpste“ von Anthony McCarten

Zwei Päpste – eine Sensation! Das Buch von Anthony McCarten „Die zwei Päpste“ aus dem Diogenes Verlag zeigt als Doppelbiographie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Papst Benedikt und Papst Franziskus. Und hat so manch steile These im Gepäck.

Eine Rezension von Tobias Rauser

„Papa emeritus“ – emeritierter Papst. Das ist der aktuelle Status von Benedikt XVI., bürgerlich Joseph Ratzinger. Es war der 28. Februar 2013, als die katholische Welt ob einer erstaunlichen Nachricht innehielt: Der Papst ist zurückgetreten! Undenkbar, unglaublich. Jeder kann sich noch an seine eigene Reaktion erinnern: Geht das überhaupt? Gibt es nun zwei Päpste? Ist schon mal ein Papst freiwillig zurückgetreten? (Ja, einmal, im Jahr 1294, Papst Coelestin V.) Welches Wort gilt in Zukunft, wenn sich der alte und der neue Papst äußern? Und überhaupt, was ist mit der Unfehlbarkeit?

„Die zwei Päpste“ aus dem Diogenes Verlag

Viele dieser Fragen sind heute immer noch ungeklärt und sie sorgen für Spannung in der katholischen Kirche. Diese Spannung entsteht aber nicht nur wegen zweier Personen und einem Amt, sondern vor allem deswegen, weil sich die beiden Päpste auf den ersten Blick so stark unterscheiden. Der konservative, verkopfte „Panzerkardinal“ auf der einen, der menschenzugewandte Missionar Franziskus, bürgerlicher Name Jorge Mario Bergoglio, auf der anderen Seite. Dass diese Klassifizierungen nicht passen und die zwei Päpste sehr viel gemeinsam haben, das zeigt ein Blick in die zahlreichen Biographien der beiden Kirchenmänner (hier können Sie etwa unsere Rezension des Buches von Stefan Kiechle zu Papst Franziskus lesen).

Der Autor von „Die zwei Päpste“, Anthony McCarten, verspricht seinem Leser eine „faszinierende Doppelbiographie zweier Persönlichkeiten, die scheinbar gegensätzlicher nicht sein könnten“. Der 1961 geborene Neuseeländer McCarten hat auch das Drehbuch für den im Dezember 2019 erschienenen, gleichnamigen Film „Die zwei Päpste“ geschrieben.

Zwei Männer, zwei Diktaturen

Das Buch verwebt die beiden Geschichten Benedikts und Franziskus miteinander und zeigt Parallelen in der Biographie beider Kirchenmänner auf. So pflegten beide im Rückblick in der Kommunikation einen eher zurückhaltenden Stil, wenn sie auf ihre Rolle in den Diktaturen ihrer Länder zurückblickten. McCarten ist hier durchaus kritisch, eine abschließende Wertung überlässt er in diesem konkreten Fall jedoch dem Leser – was gerade in der Literatur über Benedikt eher selten der Fall ist.

Kenntnis- und detailreich, wenn auch einigen Kommentatoren zufolge in manchen Punkten nicht immer faktensicher, zeigt der Autor den Werdegang der beiden Päpste auf. Das ist wirklich lehrreich und lesenswert. Parallel dazu wird die Geschichte der Konklave erzählt – und etwas über den Umgang der zwei Päpste miteinander. Besonders eindrücklich sind die Geschichten über Benedikts wiederholte Versuche, sich zurückzuziehen und keine Ämter mehr in der Kirche zu übernehmen – ohne Erfolg. Bei Franziskus bleibt vor allem sein schwieriger und von Weggefährten kritisierter Kampf um seine Kirche in der Zeit der Diktatur im Gedächtnis.

Eindeutige Positionierung des Autors

Was stört? Die Voreingenommenheit, die sich immer wieder in diesem „Sachbuch“ zeigt. Schon nach der ersten Seite ist klar: Anthony McCarten ist im „Team Franziskus“. Es gibt (zu) viele Sätze wie diesen hier: „Eines war gewiss: Der Papst war unfähig, aus seinen Fehlern zu lernen“ (es geht um Benedikt und den Streit um die „Missa Tridentina“). Diese heftigen und einseitigen Bewertungen stören den Charakter des Buches und unterschätzen den Leser und seine eigene Urteilskraft.

Der Autor vertritt in seinem Buch auch einige Thesen, die sich dem Leser mal mehr und mal weniger erschließen. So glaubt McCarten, dass Benedikts Entschluss zum Rücktritt sehr viel früher gefallen ist. Schon 2010 neigt sich laut Autor bei Benedikt „die Waagschale von seinem beschwerlichen Amt weg“.

„Francesco, baue meine Kirche wieder auf“

Die wohl größte Spekulation des Neuseeländers: Benedikt habe durch seinen Rücktritt die Wahl Bergoglios forcieren wollen und sich durch diesen eine Reform der Kirche und eine Korrektur seiner eigenen Amtszeit gewünscht. Er stellt es sich so vor: Der „kluge alte Mann“ Benedikt habe schon vor langer Zeit (als er die Rücktrittsgesuche Bergoglios ablehnte) eine Entscheidung getroffen: „Francesco, baue meine Kirche wieder auf.“ Eine steile These.

So oder so: Das Buch bringt neue Erkenntnisse und Fakten. Langeweile kommt nur selten auf, auch wenn sich der Autor an mancher Stelle im Klein-Klein verliert. Herauszuheben sind vor allem die Beschreibungen der Wahlen in der Sixtinischen Kapelle: packend und authentisch. Das Buch „Die zwei Päpste“ ist trotz mancher Schwächen eine aufschlussreiche und fesselnde Lektüre!

Anthony McCarten
Die zwei Päpste
ISBN: 978-3-257-07050-7
24 Euro, gebunden
Diogenes Verlag, 2019