„Ein Glaube, der Krise und Zweifel nicht kennt, wäre mir hochgradig suspekt“

Johannes Hartl ist Gründer des Gebetshauses Augsburg. Woran der Theologe glaubt, warum Zweifel wichtig sind und warum das Konstrukt Christentum so gut trägt, sagt er im Interview mit glaubenslektuere.de.

Bild: Johannes Hartl
Das Interview führte Tobias Rauser

Woran glauben Sie?
Ich glaube daran, dass die Wahrheit wirklich wahr, das Gute wirklich gut und das Schöne wirklich schön ist. Weniger philosophisch ausgedrückt: ich glaube an Gott und zwar so, wie Jesus ihn uns gezeigt hat. 

Wie hat sich dieser Glaube im Laufe Ihres Lebens verändert?
Er hat sich in seinen Grundzügen seit einer einschneidenden Glaubenserfahrung als Teenager nicht mehr verändert. Er ist ein Baum, dessen Wurzeln noch tragfähiger und dessen Geäst breiter wurde, doch der noch immer derselbe Baum ist. Und ja, es gibt auch Winter- und Dürrezeiten oder hier und da einen abgebrochenen Ast. 

Gab es besondere Momente des Zweifels? 
Mein Zweifel verläuft weniger rational im Sinne von „vielleicht gibt es Gott nicht“, sondern er ist eher eine Kraftlosigkeit und ein Verzagen. Solche Momente kenne ich. Besonders markant waren für mich hier zum Beispiel ganz nahe Todesfälle.

Wie gehen Sie mit Zweifeln um?
Ich versuche, nicht mit ihnen allein zu bleiben, sondern mit guten Freunden darüber zu reden. Und mit Gott. 

Geht Glaube ohne Krise und Zweifel?
Ein Glaube, der beides nicht kennt, wäre mir jedenfalls hochgradig suspekt. Wenn Gott größer ist als unsere Konzepte von ihm, bedeutet das, dass unsere Konzepte immer wieder an eine Grenze kommen. Das fühlt sich dann oft krisenhaft an. 

Sie treffen in Ihren Seminaren auch auf Menschen, die auf der Suche sind. Wonach suchen diese Menschen?
Mir scheint, sie suchen besonders nach drei Dingen. Erstens nach Spiritualität und persönlicher Erfahrung mit Gott. Dann nach Sinn und Lebensorientierung. Und drittens nach Antworten auf sehr spezifische Fragen. 

Ist das Christentum ein Konstrukt? 
Ja, auch. Natürlich ist alles auch Konstrukt. Doch die Frage ist, welches Konstrukt trägt und ob es „jenseits“ des Konstruierten auch eine Wirklichkeit gibt. Das kann man natürlich nicht beweisen, man kann es aber erfahren. Kein Konstrukt trägt so gut und auf so existenzielle Weise wie der Glaube an Jesus. Er sagt ja von sich selbst, dass Himmel und Erde vergehen werden, doch seine Worte niemals. 

Wir sehen in diesen Tagen eine Art Dekonstruktion der Kirche. Ist das gut oder schlecht? 
Wir sehen meines Erachtens keine Dekonstruktion von Kirche, sondern ein sich wandelndes Bild von ihr. Was wir in Deutschland erleben ist ja auch nicht automatisch von weltweiter Bedeutung. Wir erleben einen Bedeutungs- und Ansehensverlust der Kirche, sowie einen stark zunehmenden Säkularismus. Beides ruft nach Veränderung in der Kirche und diese braucht es auch. Die Kirche muss sich immer erneuern und sollte aktuelle Trends immer auch als Chance begreifen, auch wenn es sehr krisenhaft aussieht. 

Was kommt danach?
Die Zeiten ändern sich, doch Menschen bleiben Menschen. Deshalb werden die Antworten aus dem Glauben heraus auch relevant bleiben, auch wenn sich manche Fragestellungen ändern. 


Johannes Hartl (Jahrgang 1979) ist Theologe, Buchautor, Speaker und Gründer des Gebetshauses in Augsburg. Das Gebetshaus versteht sich als ökumenische Initiative und wurde 2005 gegründet. Das aktuelle Buch heißt „Eden Culture“ und ist bei Herder erschienen. Auf der Website von Johannes Hartl können Sie mehr erfahren.