„Der Zweifel führt näher zu Gott“: Interview mit Jacqueline Straub

Jacqueline Straub ist Theologin und arbeitet als Journalistin in der Schweiz. Sie verspürt die Berufung, Priesterin zu werden. Woran sie glaubt und zweifelt erzählt sie im Interview mit glaubenslektuere.de

Bild: Melanie Wetzel

Interview: Tobias Rauser

Frau Straub, Sie wünschen sich eine Kirche, die weltoffen ist, in der Frauen gleichberechtigt sind, in der Homosexuelle kirchlich heiraten dürfen. Verzweifeln Sie nicht manchmal an Ihrer Kirche?

Jacqueline Straub: Ich werde manchmal wütend über meine Kirche, weil vieles schief läuft, weil so vielen Menschen Unrecht angetan wurde und wird. Aber meine Berufung zur Priesterin und meine grosse Liebe zur Kirche treiben mich an, am Ball zu bleiben.

Haben Sie schon mal überlegt, ihrer Kirche den Rücken zu kehren?

Nein. Dann würde ich es den reaktionären Kräften in der Kirche ja einfach machen. Denn diese wollen keine Veränderung und freuen sich über jene, die liberaldenkend sind und aus der Kirche austreten.

Woran glauben Sie?

Ich glaube an den dreifaltigen Gott, für den nichts unmöglich ist.

Wie haben Sie zum Glauben gefunden? 

So richtig durch eine Schulfreundin in meiner Jugendzeit.

Haben Sie ein Vorbild?

Maria Magdalena ist ein Vorbild für mich. Denn sie war in einer patriarchalen Gesellschaft sehr mutig, vertraute auf Jesus mehr als auf die menschengemachten Regeln.

Woran zweifeln Sie?

An vielem, was in der katholischen Kirche vor sich geht. Etwa, warum die Amtskirche es noch immer nicht geschafft hat, die Missbrauchsfälle vollkommen aufzudecken und Verbrecher zu benennen, aus den Ämtern zu entlassen etc.

Wie gehen Sie persönlich mit Zweifeln in Ihrem Glauben um?

Glaube und Zweifel gehören dazu. Ich finde, dass Zweifel den Glauben stärker macht und einen näher zu Gott führt.

Sie fühlen die Berufung als Priesterin. Wie und wann haben Sie diese Berufung zum ersten Mal gespürt?

In meiner Jugend kam die große Leidenschaft in mir auf, dass ich gerne – wie mein Heimatpfarrer – sakramental agieren möchte. Also Kinder taufen, Ehe schließen und Eucharistie feiern möchte. Dieses Brennen in meinem Herzen wurde über die Jahre immer stärker.

War diese Berufung für Sie ein besonderer Moment, oder ein Weg?

Es hat natürlich zu einem gewissen Moment begonnen, in einem christlichen Sommerlager. Aber eine Berufung ist immer ein Weg, ein lebenslanger Weg.

Zweifeln Sie manchmal an dieser Berufung?

Nein.

Frau Straub, vielen Dank für das Gespräch!

Mehr von Jacqueline Straub können Sie auf ihrer Homepage (jacqueline-straub.de) und in den sozialen Medien erfahren. Die Theologin hat auch mehrere Bücher verfasst, ganz aktuell das Buch „Wir gehen dann mal vor. Zeit für einen Mutausbruch„, das im Herder Verlag erschienen ist.