„Kirche überlebt“. Der Titel des Buches von Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, sagt vieles aus. Es geht ums Überleben – und den Weg der Kirche in die Zukunft.
Eine Rezension von Tobias Rauser
Direkt vorweg: Das kleine Büchlein „Kirche überlebt“ von Reinhard Marx hat es in sich. Es steckt voller explosiver Worte, klarer Ansagen und mutiger Ideen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz hält ein flammendes Plädoyer für eine Erneuerung der Kirche.
Die kurzen Kapitel des Buches reißen dabei die Themen nur an und sind keineswegs eine detaillierte Auseinandersetzung. Sie wirken eher wie ein kurzes, wohl formuliertes Statement, eine ernsthafte Anleitung hin zu einem Diskurs, der im Anschluss folgen muss. Und so ist es wohl auch gedacht: Marx will „die aktuelle Diskussion über den Weg der Kirche“ anregen.
Marx will keine Kirche, die sich zurückzieht in ihre Festung und er greift dabei auf Franziskus zurück. „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“ Das Evangelium könne nur durch Wort und Tat verkündet werden. Marx will dabei keine Anpassung an die Erwartungen der Mehrheit, sondern mutiges Kämpfen für die Werte des Evangeliums. Aber bitte nicht als Beobachterin von Außen, sondern aus und in der Mitte der Gesellschaft.
Marx‘ Leitwort „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ ist für ihn Kern der christlichen Botschaft. Für ihn ist es „eine fast tragische Entwicklung“ und „verheerendes Missverständnis“, dass sich der Gedanke durchsetzt, die Kirche sei eine Feindin der Freiheit. Für ihn steht fest: Die Kirche muss „in den Auseinandersetzungen auf der Seite der Freiheit, der Menschenwürde, der Verteidigung der Rechte der Armen und Unterdrückten, der Religionsfreiheit, der Rechte der Frauen, der Trennung von Staat und Kirche und auch der Demokratie stehen.“
Ein großer Teil des Buches widmet sich dem Thema Veränderung. Der Kardinal vertritt die Meinung, dass sich die Kirche durchaus wandeln dürfe – als Teil der Gesellschaft. Subsidiarität, Teilhabe und letztlich Delegation lauten seine Vorschläge für einen Weg zur Reform. Er widerspricht denen, die Subsidiarität für eine Gefahr der Einheit der Kirche halten. „Gerade wenn die Kirche noch mehr Weltkirche werden will, muss sie dezentral und subsidiär aufgebaut sein“, fordert Marx. Für ihn steht eine spirituelle, aber auch strukturelle Erneuerung auf der Agenda. Wichtig bei aller Kritik: „Es gilt, die Kirche zu lieben in ihrer konkreten Gestalt.“
Wer das Buch liest, wird es häufig beiseite legen, um die Worte noch einmal wirken zu lassen. Und für sich zu bewerten. Die Ausführungen Marx‘ berühren, sind prägnant und klar. Auch wenn man vielleicht nicht alle Thesen teilt: „Kirche überlebt“ ist eine absolute Pflichtlektüre für jeden, der sich mit dem Weg der katholischen Kirche in die Zukunft beschäftigt.