Frère Roger, Taizé – „Leben, um zu lieben“: Ökumene, Zweifel und Liebe

„Finde Dich niemals ab mit dem Skandal der Spaltung unter den Christen, die alle so leicht die Nächstenliebe bekennen und doch getrennt bleiben.“ Einer der bekanntesten Sätze von Frère Roger findet sich auch in dem Buch „Leben, um zu lieben. Worte des Vertrauens“. In ihm sind Worte und Gebete des Gründers der ökumenischen Bruderschaft von Taizé in Frankreich gesammelt.

Eine Rezension von Tobias Rauser
Frére Roger, Taizé – „Leben, um zu lieben. Worte des Vertrauen“ Herder-Verlag

Sein Lebensthema, die Versöhnung der Christen, passt in dieses Jahr, das Reformationsjahr 2017. Das kleine Büchlein enthält kurze Auszüge aus seinen Veröffentlichungen und Gebete. Es ist so etwas wie die Essenz der Werte und Worte des geborenen Schweizers. Die wichtigsten Themen Frère Rogers stehen im Fokus: Liebe, Versöhnung und auch Zweifel.

Das Vorwort hat Frère Alois verfasst, Prior und Nachfolger von Roger der ökumenischen Bruderschaft. Er schreibt über ihn: „Er hatte die großen Umwälzungen im Blick, die unsere Gesellschaften tiefgreifend veränderten und verändern. Sehr früh erkannte er, dass die modernen Zeiten es erschweren, auf Gott zu vertrauen, und konnte alle verstehen, die ins Zweifeln geraten.“

Die eindrucksvollen Texte und Gebete Frère Rogers berühren genau diese Themen: Zuversicht trotz Zweifel, der Blick nach Vorne, keine Scheu vor Veränderungen und nicht zuletzt sein Wille, die Spaltung der Kirche zu überwinden.

„Geh, geh weiter, setz einen Fuß vor den anderen, vom Zweifel geh weiter zum Glauben und kümmere dich nicht um das, was unmöglich erscheint.“  Im Umgang mit den komplexen Fragen der modernen Welt setzt Roger auf Unbekümmertheit und Schlichtheit. In der Auseinandersetzung mit der oft zweifelnden Jugend ist für ihn das Gespräch und Gebet auf Augenhöhe wichtig: „Uns Brüdern kommt es darauf an, ihrem Vertrauen zu entsprechen, indem wir zuallererst Männer des Gebets sind, Menschen, die zuhören, und niemals Meister des geistlichen Lebens“.

„Der Nichtglaubende in ihm neben dem Glaubenden“

Zweifel am Glauben ist für ihn Teil der Auseinandersetzung mit Gott – und er zitiert in einem seiner Texte Dostojewski: „Ich bin ein Kind des Zweifels und des Unglaubens“. Für Roger ist das selbstverständlicher Teil einer Welt, in der es gleichzeitig Licht und Dunkel gibt. „Dieser Mann Gottes gibt zu verstehen, dass der Nichtglaubende in ihm neben dem Glaubenden steht; seine leidenschaftliche Liebe zu Christus beeinträchtigt das nicht.“

In einem der vielen kleinen Kapitel findet sich dann auch der oft zitierte Satz zum Skandal der Spaltung unter den Christen. Zuvor hält er ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Kirche, die in seinen Augen eine einzigartige Gemeinschaft ist. „Wenn die Kirche unermüdlich zuhört, heilt und die Versöhnung lebt, wird sie zu dem, was sie ist, wo es in ihr am hellsten leuchtet. Dann wird sie zu einer Gemeinschaft der Liebe, des Erbarmens und des Trostes.“

Die Bilder im Buch, darunter auch tolle Porträts von Frére Roger, sind sorgsam ausgewählt und unterstützen die ruhige und positive Ausstrahlung der Texte. Zusammen mit dem kurzen Lebenslauf zum Ende des Buches ist das Werk eine großartige Zusammenstellung spannender, mutiger und bedenkenswerter Texte und ein sehr guter Einstieg in die Welt von Taizé. Wer die Texte liest, ist berührt von der Kraft der Worte, mit denen Freré Roger klar und deutlich für Versöhnung und Nächstenliebe einsteht.

Frère Roger
Leben, um zu lieben. Worte des Vertrauens
Herder Verlag
2. Auflage 2014
96 Seiten
6 Euro
ISBN: 978-3-451-33193-0