Was passieren muss, damit die katholische Kirche gesundet: Hans Küng, einer der bekanntesten Kirchenkritiker, stellt in seinem Buch „Ist die Kirche noch zu retten?“ eine Therapie vor.
Eine Rezension von Michael Cordes
Schwarzes Cover, dazu rote und weiße Schrift: Das Buch von Hans Küng kommt optisch daher wie so manches Schwarzbuch, das beispielsweise die Wirtschaft als Kapitalismus brandmarkt.
Auch in diesem Buch fällt die Kritik des Autors deutlich aus, was nicht weiter verwundert: Gilt doch der Schweizer Hans Küng als einer der bekanntesten deutschsprachigen und auch schärfsten Kritiker der katholischen Kirche. Daher auch passend zur Aufmachung der reißerisch klingende Titel des Buches „Ist die Kirche noch zu retten?“.
Wobei man jetzt genauer formulieren muss: Küng kritisiert nicht die katholische Kirche als Ganzes. Es ist vor allem die Amtskirche und hier das Wirken der römischen Kirche – also des Vatikans mit dem Papst, den Bischöfen und dem ihnen umgebenden Apparats -, die er als eine große Bedrohung sieht. Deshalb kommt er zu dem Urteil: „Man muss diese Kirche als ernsthaft krank bezeichnen.“ Und er stellt die Frage: „Ist die Kirche nicht vielleicht sterbenskrank, todkrank?“
Nun muss man an dieser Stelle den Einschub machen, dass das Buch 2011 geschrieben wurde, also vor dem Rücktritt von Papst Benedikt und dem Beginn der Amtszeit von Papst Franziskus. Das ist auch vor dem Hintergrund bedeutsam, dass Küng mit dem fast gleichaltrigen Joseph Ratzinger schon Jahrzehnte vor dessen Ernennung zum Papst Benedikt vielleicht keine innige Feindschaft verband, aber deren Verhältnis zumindest doch sehr belastet war und ist durch konträre Ansichten. Küng hat die Amtskirche schon immer heftig kritisiert, was für ihn den Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis bereits im Dezember 1979 durch die deutsche Bischofskonferenz zur Folge hatte.
Dieser Einschub ist wichtig, wenn man der Analyse Küngs einordnen will. Die ist nicht in allen Dingen für die Kirche „vernichtend“. Andererseits, seiner Ansicht nach gibt es kaum eine andere große Institution in unseren demokratischen Ländern, die „so menschenverachtend mit Andersdenkenden und Kritikern in den eigenen Reihen umgeht und so sehr Frauen diskriminiert“. Da fährt Küng schweres Geschütz auf, ist damit aber sicher nicht alleine.
Die Forderung Küngs: „Die Kirche muss wieder christlich werden, sich auf Christus beziehen, auf das Evangelium.“ Dieser Satz hat seiner Ansicht nach auf alle christlichen Kirchen Gültigkeit, also auch auf die evangelischen oder orthodoxen.
Immer wieder prangert Küng in dem Buch das „römische System“ an und sieht es als die Wurzel allen Übels an, das schon seit Jahrhunderten die Kirche in den Abgrund zieht. Schon im dreizehnten Jahrhundert habe Franz von Assisi durch seine ganze Lebensweise dem päpstlichen Alleinherrscher gezeigt, um was es im Christentum, in der Nachfolge Christi, eigentlich geht: um Armut, Demut und Einfachheit. „Doch die Päpste lernten nichts von Franz von Assisi, und der Selbsterhöhung folgte die Erniedrigung“, schreibt Küng . Ob er mit dem neuen Papst die Kirche auf dem richtigen Weg sieht?
Die Maßnahmen, die Küng vorschlägt, damit die Antwort auf den Titel seines Buches positiv ausfällt, sind zahlreich. Sie reichen von einem neuen Selbstverständnis, bei dem die Kirche ihre Kernfunktion stärken und zugleich ihre gesellschaftliche Verantwortung stärker wahrnehmen soll, von mehr Transparenz bei den Kirchenfinanzen und der Beteiligung des Kirchenvolkes bei der Wahl der Bischöfe bis hin zu einer stärkeren Zusammenarbeit der christlichen Kirchen (gemeinsames Abendmahl), der Abschaffung des Zölibats und Öffnung aller Ämter in der Kirche für Frauen, um nur einige Forderungen Küngs zu nennen. Und er appelliert an den Leser, an die Gläubigen, sich in der Kirche mit solchen Forderungen stärker bemerkbar zu machen. Denn die Hoffnung, dass eine Veränderung von oben nach unten erfolgt, hat er nicht. Nur ein Druck von unten könnte die Oberen zum Umkehren bewegen.
Ein Buch, das aufrütteln soll. Aber auch ein Buch, bei dem man zwischen den Zeilen immer wieder meint herauszuhören, dass da einer schreibt, der es nicht verwunden hat, kein Gehör in der Amtskirche zu finden und dem die Lehrbefugnis entzogen wurde. Und zugleich ein Autor, der seine Maßnahmen zur Gesundung als einen Rettungsplan bezeichnet, „der vielleicht ebenfalls ein Konzil erfordert“. Oder der von seinem Buch „Die Kirche“ als eine „umfassende Synthese“ schreibt, die „bis heute in vielen Sprachen als unüberholter Klassiker im Studium benutzt“ wird. Da vermisst man die Demut, die Küng selbst von den Päpsten und den Bischöfen einfordert.