In der heutigen Zeit ist Geduld nicht mehr angesagt. Alles muss sofort passieren, sofort verfügbar sein. „Geduld mit Gott“ heißt das Buch des Theologen Tomáš Halík. Manchmal muss man mit ihm und dem Buch ebenfalls Geduld haben. Aber wie mit vielen, wie mit allen guten Dingen: Es lohnt sich.
Eine Rezension von Michael Cordes
Es gibt Passagen in dem Buch, die fesseln. Und es finden sich Aussagen, die so gut zur aktuellen Debatte passen, dass man den Eindruck bekommen könnte, das Buch ist erst vor wenigen Wochen geschrieben worden. Denn wenn der neue deutsche Innenminister Horst Seehofer behauptet, „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, dann kann man die Aussagen des Theologen Tomáš Halík in seinem 2010 erschienen Buch „Geduld mit Gott“ eigentlich nur so deuten, dass aus theologischer Sicht der Innenminister sich ziemlich auf dem Holzweg befindet.
Dabei ist das Buch alles andere als ein politisches. Aber gerade deshalb, weil sich Halík dem Thema „Ausgrenzung“ von der theologischen, biblischen Seite nähert, sind diese Aussagen so interessant.
Es geht in dem Buch auch nicht um Migration, um Flüchtlinge. Es geht vordergründig um Zachäus, den Zöllner, der Jesus aus der Ferne vom einem Baum zusieht und bei dem Jesus sich einlädt – sehr zur Verwunderung der Menschen, die da sagten: „Er ist bei einem Sünder eingekehrt.“
Zachäus ist für Halík ein Synonym. Der Zöllner steht einerseits für die Ausgegrenzten in unserer heutigen Gesellschaft: Dazu gehören – aus Sicht nicht nur der katholischen Kirche (Halík ist katholischer Priester) – auch die Atheisten. Er schildert, wie er in Debatten mit Atheisten manchmal mehr gelernt hat über den Glauben als mit seinesgleichen. Wie er überhaupt die Atheisten nicht als Fremdkörper betrachtet, sondern vielmehr Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und den Gläubigen sieht: „Glaube und Atheismus sind zwei Sichtweisen eben dieser Tatsache: der Verborgenheit Gottes“.
Von der Verborgenheit Gottes ist es nicht weit zu einem weiteren, damit verbundenen Thema, das Halík beschäftigt: „die innere Ausgrenzung“. Damit gemeint sind die Zweifel im Glauben, Zweifel an die Existenz Gottes. Laut Halík sind Zweifel ein untrennbarer Bestandteil des Glaubens, „denn es geht im Glauben um ein Geheimnis. Deshalb dürfen wir nie vom Weg des Suchens und Fragens abkommen.“ Den evangelikanischen Fernseh-Priestern, die in voller Überzeugung und mit großer Inbrunst Gott preisen, steht er eher skeptisch gegenüber. Halík ist sicher, dass man Gott nicht einfach finden kann und dann ist Schluss. Vielmehr ist der Glaube „ein nie endender Weg.“
„Glaube ohne kritische Fragen würde in langweilige und leblose Ideologie umschlagen“
Doch trotz dieser Zweifel wirkt Halík nicht verunsichert, auch nicht, was die Zukunft der Kirche betrifft. Er wirkt nicht im Entferntesten beunruhigt oder gar Bange angesichts der Säkularisierung und des zunehmenden Atheismus. Im Gegenteil, er gewinnt beidem etwas Positives ab, bezeichnet beide „als Karsamstag“ und damit als Teil des österlichen Geschehens. Da steckt ein große Zuversicht, dass die Katholische Kirche aus diesem Tief (gestärkt) herauskommen wird. Wobei man sich fragt, ob er als Christ, der in der Tschechoslowakei im Untergrund Theologie studiert hat, ob er vor dem Hintergrund dieser einschneidenden Erfahrung das Problem der Säkularisierung für vergleichsweise gering hält und damit womöglich unterschätzt.
Der Professor für Soziologie an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Prag sieht in den Atheisten, in denjenigen, die der Kirche den Rücken kehren, auch Suchende. Ihnen ist wie Zachäus Gott verborgen, aber sie halten dennoch Ausschau nach ihm. Halík plädiert dafür, dass die Kirche versuchen muss, die Atheisten und Andersgläubigen nicht nur zu verstehen, sondern mit ihnen zu debattieren, auch zu streiten. „Glaube ohne kritische Fragen würde in langweilige und leblose Ideologie umschlagen“, ist er überzeugt.
Ja, Halík kann sehr gut formulieren. Aber das Buch hat dennoch auch seine Längen. Wenn er sehr theologisch argumentiert, wenn er sich zum Beispiel mit den Thesen von Nietzsche auseinandersetzt, sind seine Aussagen ohne Vorkenntnisse kaum nachvollziehbar. Und manchmal driftet er sehr vom eigentlichen Thema ab, wenn er sich beispielsweise mit der Rolle der Medien befasst, wie sie von den Terroristen benutzt und instrumentalisiert werden. Da fragt man sich: Wo ist er denn jetzt?
„Geduld mit Gott ist Glaube“
Dann muss man auch Geduld mit dem Autor, mit dem Buch haben. Und dann kommen wieder tolle Sätze zum Vorschein. So wie das Zitat des ägyptischen Rechtsanwaltes Adel Bestavros, Thema des Buches und zum Titel des Buches geworden: „Geduld mit anderen ist Liebe, Geduld mit sich selbst ist Hoffnung, Geduld mit Gott ist Glaube.“