Bildstarke Reportagen über existenzielle Fragen: Das Geo-Thema-Heft 3 „So glaubt der Mensch“, das im Gruner + Jahr Verlag erschienen ist, bietet zwölf herausragende Geschichten über Menschen, Gesellschaft und die Ausübung der Religion.
Eine Rezension von Tobias Rauser
Die Sehnsucht nach Gott oder einem übergeordneten Wesen eint die Menschen rund um den Globus – ob im Christentum, im Islam, im Hinduismus, im Buddhismus oder im Judentum. Wie der Glaube Gesellschaften und Geschichte prägt, zeigen die vielseitigen Fotoreportagen aus dem Heft „So glaubt der Mensch“ von Geo. Die Bilderstrecken und Texte sind eine Zusammenstellung aus dem Geo-Magazin plus einige unveröffentlichte Stücke.
Die erste Geschichte des Heftes ist Einführung und Überblick gleichzeitig. „Warum glaubt der Mensch?“ fragt Christian Schüle und gibt in seinem Text bemerkenswerte Antworten. Die Suche des Menschen nach der übergeordneten Kraft eint die Religionen der Welt. Und diese Suche ist auch in der modernen Welt, der Wissensgesellschaft, immer noch aktuell. „Der Mensch hat die Fähigkeit zu glauben, weil er das Andere zu denken vermag, das Gegenteil von Sein: das Nichts“, schreibt Schüle. Er geht auch der umstrittenen Frage nach, ob es ein „Gottes-Gen“ gibt. Und klärt auf, dass Glaube und Religion interessante Folgen haben können. Etwa: Der gläubige Mensch ist gesünder – ein evolutionsbiologischer Vorteil? Viel Input und ein lesenswerter Einstieg in das Magazin, gestützt von eindrucksvollen Bildern von Giorgia Fiorio.
Einblicke der besonderen Art bieten auch die Fotografien von Oded Bality, der den Betrachter in die Welt der ultraorthodoxen Juden entführt. Wenn der Gläubige 39 sanft ausgeführte Peitschenhiebe empfängt, die Braut unbeweglich von Rabbinern und Verwandten umtanzt wird oder Tieropfer erbracht werden, wirkt der Glaube und die Religion der Welt entrückt und doch unglaublich nah.
Die eindrucksvollste Geschichte ist „Vom Fluch der Magie“ von David Signer (Text) und Daniel Laine (Bilder). Die beiden zeigen die Welt der afrikanischen Hexer, deren Zauber zu wirken scheint – zumindest ist dies dem persönlichen Erfahrungsbericht des Ethnologen zu entnehmen. Doch neben diesen spannenden Erfahrungen zeigt die Fotoreportage auch, wie sehr der Zauber die Gesellschaft verfestigt und Wandel verhindert. Dazu die unglaublich anrührenden und für den Europäer fremden Fotos: eine Geschichte, die lange nachwirkt.
Jede Geschichte des Magazins ist lesens- und betrachtenswert: „Unterwegs zur Erleuchtung“ über den Buddhismus, „Die Macht des Propheten“ über Mohammed, den Begründer des Islam, und eine Geschichte über schamanische Rituale mitten in Deutschland („Lasst die Seele reisen“). Und zum Abschluss wird der Leser noch auf eine etwas absurd anmutende Reise zu den Kryonikern geschickt, die ihre Körper einfrieren lassen, um später wieder erweckt zu werden.
„Der Mensch hat die Fähigkeit zu glauben, weil er das Andere zu denken vermag, das Gegenteil von Sein: das Nichts“
Christian Schüle
Das Magazin „So glaubt der Mensch“ ist eine gelungene und anregende Zusammenstellung von Geschichten und Fotoreportagen über die Religion und ihre Ausübung. Mit Sorgfalt ausgewählte Bilder und anspruchsvolle Texte bringen den Leser und Betrachter zum Nachdenken. Sie wirken lange nach. Ein Heft, dass man immer wieder zur Hand nehmen kann – und in dem jeder Geschichten finden wird, die ihn faszinieren, befremden oder glücklich machen.
Das Magazin ist im Handel nur noch vereinzelt erhältlich, kann aber online erworben werden.
GEO Thema 03
„So glaubt der Mensch“
Zwölf Geschichten über die Weltreligionen
Gruner + Jahr
ISBN 978-3-652-00144-1
10 Euro